Botschaften für die Weitherzigkeit

Fotos: Ernst Zerche

Der Theologe und Philosoph Heiner Bielefeldt sprach im Grazer Barocksaal über die Krise der Demokratie und die Rolle der Religionsgemeinschaften.

Die Populisten sind auf dem Vormarsch. Grundrechte werden eingeschränkt, Ängste vor „den anderen“ geschürt, Medien als „Lügenpresse“ diffamiert. Um „die Krise der Demokratie und die Religionen“ ging es kürzlich bei einem Vortrag mit Heiner Bielefeldt im Grazer Barocksaal. Der Menschenrechtsexperte war auf Einladung von Welthaus zu Gast in Graz. Dabei traf er auch mit VertreterInnen der Menschenrechtsstadt Graz und religiöser Gemeinschaften zusammen.

Abgrenzung – nach innen und außen

In seinem Vortrag konstatierte Bielefeldt die zunehmende Markierung von Territorien – einerseits durch Mauern und Zäune, aber auch durch symbolische Grenzen wie die Schaffung einer „Leitkultur“ mit Kopftuchverboten oder dem Kreuzerlass für Behörden in Bayern: „Von christlich bleibt am Ende nur mehr das Adjektiv im christlichen Abendland – geschützt mit Zäunen.“ Die Abgrenzung erfolge gleichzeitig auch nach innen, betonte der Menschenrechtsexperte: Politische Gegner würden diskreditiert, die Unabhängigkeit von Gerichten nicht länger respektiert. Es komme zu einem „Durchmarsch der Mehrheit“. Der demokratische Diskurs gehe dabei verloren.

Engherzige Politik mobilisiert

Trump und Brexit: Was vor einigen Jahren unvorstellbar schien, sei heute Realität, meinte Bielefeldt: „All diese Veränderungen in kurzer Zeit machen den Menschen Angst. Das Vertrauen steckt in der Krise, mit einer Tendenz zur Selbstbeschleunigung. Wir erleben eine Politik der Engherzigkeit und Kurzatmigkeit.“ Diese sei jedoch kurzsichtig und löse kein Problem. Die Krise mobilisiere aber auch eine Gegenbewegung, stellte Bielefeldt fest: „Wahlbeteiligungen nehmen zu. Weltweit streiken junge Menschen für Klimaschutz. Es geht um elementare Grundlagen des Lebens. Was die Teenager auf selbstgemalten Plakaten zeigen, ist realpolitischer als das, was die Politik macht.“

Politik und Religion

Bielefeldt plädierte dafür, sich über den Sinn der Demokratie klar zu werden. Diese lebe von Menschwürde und Gerechtigkeit. Daran sei auch die Mehrheit gebunden. Über „Religionspolitik“ im säkularen Rechtsstaat meinte der Theologe und Philosoph: „Der Staat muss einen Raum eröffnen, dass angstfrei Religion gelebt werden kann. Es soll ein offener Raum sein, in dem sich religiöse Symbole zeigen können.“ Ob Religionsgemeinschaften Teil des Problems oder Teil der Lösung seien, hänge vom Menschen ab. „Sie haben das Potential, positiv zur Demokratie beizutragen – aber nur, wenn sie glaubwürdig sind.“ Als Beispiele nannte der ehemalige UN-Sonderberichterstatter über Religionsfreiheit den Senegal, Zypern und das frühere Bürgerkriegsland Sierra Leone, wo heute Muslime und Christen gemeinsam die treibenden Kräfte der Zivilgesellschaft seien.

„Auch Schiiten und Sunniten müssen sich nicht hassen. Das ist kein Naturgesetz“, betonte Bielefeldt. Er habe selbst in Saudi-Arabien mit gläubigen Sunniten gesprochen, die hinter vorgehaltener Hand für einen säkularen Rechtsstaat eingetreten seien. „Bei uns können wir nach wie vor angstfrei gegen die Verengung des öffentlichen Raums und für die Demokratie eintreten“, betonte Bielefeldt. „Das sollten wir tun – ernst und fröhlich!“

Zur Person: Univ.-Prof. Dr. Heiner Bielefeldt ist Theologe und Philosoph. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und war 2010 bis 2016 UN-Sonderberichterstatter über Religions- und Weltanschauungsfreiheit. In dieser Funktion hat er weltweit mit Regierungsvertretern, Geistlichen, einfachen Gläubigen und Nichtregierungsorganisationen gesprochen und vor den Vereinten Nationen Bericht erstattet.