UNO-Experte Heiner Bielefeldt war zu Gast in Graz
Die jüngsten Anschläge des Islamischen Staates (IS) in Paris dürften nicht zu einer Stigmatisierung von Minderheiten, insbesondere von Muslimen, führen – denn Religionsfreiheit bleibe ein Menschenrecht, betonte Heiner Bielefeldt, UN-Sonderberichterstatter, der am Donnerstag und Freitag auf Einladung des Welthauses der Diözese Graz-Seckau in Graz war.

„Das ist zwar ein Terror im Namen des Islams, aber ein Terror, der neben Christen und Jesiden vor allem Muslime vernichtet – wie in Syrien und im Irak, wo der IS ja sein Zentrum hat. Es ist ganz wichtig, Stigmatisierungen zu vermeiden und bewusst gegenzuhalten und das betrifft natürlich auch den Umgang mit Flüchtlingen.“ Für die Integration all jener, die in Österreich bleiben wollen, sei es besonders wichtig Begegnungen zu schaffen, um mögliche Vorbehalte abzubauen – etwa durch Lehrstellen oder Praktika: „Dort, wo der Kontakt zustande gekommen ist, brechen die Vorbehalte sehr schnell weg. Die reale Begegnung ist ein Schlüssel.“
Das Menschenrecht auf Religionsfreiheit komme von zwei entgegen gesetzten Seiten unter Druck, erläuterte Bielefeldt: „Es ist dort bedroht, wo sich der Staat als Durchsetzungsinstanz religiöser Rechtsnormen versteht oder Politik im Sinne von nationaler Identitätspolitik auf Religion zugreift.“ Unter Druck komme das Menschenrecht aber auch, wenn unter dem Mantel der Religionsfreiheit die Religion als Störfaktor verstanden werde und nicht mehr in der Öffentlichkeit gelebt oder zu einer Konversion eingeladen werden könne, so Bielefeldt. “ Zur Religiösen Freiheit gehört nicht nur die Kultusfreiheit, sondern auch die Freiheit, über Glaubensformen offen zu reden und andere zum Glaubenswechsel einzuladen“, hielt er fest. Zugleich betonte Bielefeldt, dass Religionsfreiheit auch ihre Grenzen habe und keinesfalls ein Freibrief für Gewalt, Hasspredigten oder Terror sei.
Beim Ökumenischen Jahresempfang im Grazer Landhaussitzungssaal am 19.11. erläuterte Bielefeldt, dass das Menschenrecht auf Religionsfreiheit in vielen Regionen der Welt bedroht sei – wenn auch in unterschiedlichen Härtegraden. Als Beispiele nannte er die Vertreibung religiöser Gruppen aus Syrien und dem Irak, den Ausschluss der muslimischen Minderheit bei den Wahlen in Myanmar, die Diskussion um die Knabenbeschneidung in Deutschland und Österreich und die Gefängnisstrafen für Atheisten in Indonesien. Zugleich betonte Bielefeldt, dass „ alle Religionsgemeinschaften das Potential haben, die Religionsfreiheit zu würdigen.“ Auch Bischof Wilhelm Krautwaschl und Superintendent Hermann Miklas betonten die Bedeutung der Religionsfreiheit als wichtiges Element des Glaubens. Botschafter Peter Launsky-Tieffenthal hob ebenfalls die Bedeutung der Toleranz und des religiösen Dialogs hervor und unterstrich, dass Menschenrechtsverletzungen weltweit nicht hingenommen werden dürften.
Heiner Bielefeldt war auf Einladung von Welthaus zu Gast in Graz. Die Einrichtung der Diözese Graz-Seckau informiert über Bedrohungen und Verletzungen der Religionsfreiheit und tritt für die Rechte jener ein, die wegen ihres Glaubens diskriminiert und verfolgt werden. Welthaus zeigt auch positive Beispiele auf, wie Religionsfreiheit und Toleranz zwischen Religionen gelingen. Infos: graz.welthaus.at
Zur Person: Univ.-Prof. Dr. Heiner Bielefeldt ist Theologe und Philosoph und Inhaber des Lehrstuhls für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Seit 2010 ist er UN-Sonderberichterstatter über Religions- und Weltanschauungsfreiheit.