„Verletzungen der Religionsfreiheit gibt es in allen Teilen der Welt!“

Foto: Ernst Zerche

Der Menschenrechtsexperte und ehemalige UN-Sonderberichterstatter über Religionsfreiheit Heiner Bielefeldt beleuchtete in Graz die Ursachen und Akteure der zahlreichen Verletzungen des Menschenrechtes auf Religionsfreiheit weltweit.

„Auch ich habe den Überblick nicht“, meinte Heiner Bielefeldt zu Beginn seines Vortrages im Grazer Barocksaal am 11. Mai, nachdem ihn Welthaus-Geschäftsführer Dietmar Schreiner als profunden Kenner der Situation der Religionsfreiheit weltweit vorgestellt hatte. Was folgte, waren „Blitzlichter“ auf die vielfältigen Bedrohungen der Religionsfreiheit – ein „Sprung durch die die Kontinente“.

So wurde in Indonesien kürzlich ein christlicher Politiker aufgrund von Blasphemie-Vorwürfen zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. In Russland werden die Zeugen Jehovas „liquidiert“. In Uganda lässt die Terrorgruppe Lord’s Resistance Army, die einen Gottesstaat errichten will, wieder von sich hören. Die religiöse Minderheit der Baha’i wird im Jemen und Iran immer heftiger verfolgt. In Myanmar wird die muslimische Ethnie der Rohingya unterdrückt. In Bangladesch müssen religionskritische Internetaktivisten um ihr Leben bangen. Im Nordwesten Chinas laufen Kampagnen gegen barttragende Männer vom muslimischen Turkvolk der Uiguren. In Paraguay wird Druck auf Indigene ausgeübt, ihre Kinder in Bibelschulen zu schicken. Und in Europa hat der EuGH ein Urteil gefällt, dass es Unternehmen erlaubt, das Tragen von religiösen Symbolen zu untersagen. Diese Beispiele seien exemplarisch zu sehen, meinte Bielefeldt, „man könnte ewig weitermachen.“ Verletzung der Religionsfreiheit gäbe es in allen Teilen der Welt, wenn auch mit unterschiedlichen Mustern, Motiven und Intensität.

Bei der Frage nach den Motiven nannte der Theologe und Philosoph als ersten Punkt die „Wahrheit“: „Das gab es schon im Mittelalter: Die Gläubigen gegen die Ungläubigen.“ Derzeit sei dieser Konflikt besonders im Nahen Osten zu beobachten, wo etwa Schiiten, Christen und Jesiden vom IS verfolgt werden. Der zweite Punkt sei „Identität“. „Das können religiös verbrämte Xenophobie und Nationalismus sein, wie etwa in Indien gegenüber den Muslimen, die mit Pakistan in Verbindung gebracht werden. Oder in Russland gegen „die anderen“ unter dem Vorzeichen der christlichen Orthodoxie. Aber auch in Deutschland und Österreich, wo zum Schutz des „christlichen Abendlandes“ vor allem die Muslime jenseits des Stacheldrahtes bleiben sollen.“ Ein wichtiges weiteres Motiv sei „Kontrolle“: „Autoritäre Staaten irritiert bei der Religionsfreiheit weniger die Religion als die Freiheit.“ Ein-Parteien-Systeme wie in Vietnam, China und Laos seien „kontrollfetischistisch“ und würden der Illusion unterliegen, dass das Volk vollkommen durch die Partei repräsentiert würde. Als weitere Motive für Verletzungen der Religionsfreiheit nannte Bielefeldt etwa Landkonflikte oder Korruption.

Auf die Frage „Was kann man tun?“ antwortete der ehemalige UN-Sonderberichterstatter: „Raus aus dem Fatalismus.“ Der Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten sei etwa „kein Naturgesetz“, sie hätten sich keineswegs immer und überall gehasst. Beim Schutz der Religionsfreiheit käme der EU eine wichtige Rolle zu. Seit 2013 gäbe es Leitlinien für Außenbeziehungen betreffend die Religionsfreiheit. Es liege an den Botschaften in aller Welt, durch Beobachtung und Berichterstattung einen positiven Beitrag zu leisten. Auf positive Beispiele für Religionsfreiheit angesprochen, nannte Bielefeldt Sierra Leone. Nach dem Ende des Bürgerkrieges würden dort die Religionsgemeinschaften vorbildlich zusammenarbeiten, um das bitterarme Land wiederaufzubauen.

Heiner Bielefeldt war am 11. und 12. Mai auf Einladung von Welthaus zu Gast in Graz. Dabei stand u.a. auch ein Treffen mit Bischof Wilhelm Krautwaschl auf dem Programm. Welthaus informiert als Einrichtung der Diözese Graz-Seckau über Bedrohungen und Verletzungen der Religionsfreiheit und tritt für die Rechte jener ein, die wegen ihres Glaubens diskriminiert und verfolgt werden. Welthaus zeigt auch positive Beispiele auf, wie Religionsfreiheit und Toleranz zwischen Religionen gelingen. Infos: graz.welthaus.at

Zur Person: Univ.-Prof. Dr. Heiner Bielefeldt ist Theologe und Philosoph. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und war 2010 bis 2016 UN-Sonderberichterstatter über Religions- und Weltanschauungsfreiheit. In dieser Funktion hat er weltweit mit Regierungsvertretern, Geistlichen, einfachen Gläubigen und Nichtregierungsorganisationen gesprochen und vor den Vereinten Nationen Bericht erstattet.