Ihre Stadt wird permanent von russischen Raketen und Drohnen beschossen. Bei ihrem Besuch in Graz schilderten Projektpartnerinnen von Welthaus die Lage in der Ukraine und erzählten, wie sie trotz Ausnahmezustandes die Bevölkerung unterstützen.
„Es ist das erste Mal seit dreieinhalb Jahren, dass ich mich sicher fühle und keine Angst habe“, sagt Svitlana. Zwei Tage war sie mit ihrer Kollegin Olha unterwegs von der nordukrainischen Stadt Konotop nach Graz. Nun sitzen sie im Welthaus und erzählen vom Krieg. „Unsere Stadt wird ständig beschossen. Im Zentrum ist so viel zerstört, auch die Straßenbahnlinie. Ein Kindergarten wurde getroffen. Gott sei Dank früh am Morgen, als noch keine Kinder da waren“, meint Svitlana. Bis zu fünfzig Mal am Tag gäbe es Luftalarm. Einmal hätten die Sirenen 38 Stunden durchgeheult. Immer wieder müssten die Kinder in den Schulen und Kindergärten Schutz in den Kellern suchen. „Sie tragen T-Shirts mit ihren Namen darauf, mit der Wohnadresse und den Telefonnummern der Eltern. Für den Fall, dass sie Opfer eines Angriffes werden.“ Als Svitlana am Handy liest, dass ihr Wohnbezirk in Konotop gerade unter Beschuss steht, sagt sie: „Vielleicht wurde mein Haus getroffen und ich bin jetzt heimatlos.“
„Dieser sinnlose Krieg hat so viele Leben zerstört“, sagt Svitlana. Die Gefahr sei ständig präsent. Konotop liegt nahe der russischen Grenze. Eine Rakete braucht nicht einmal eine Minute, bis sie die Stadt erreicht. „Jeden Morgen, wenn ich mein Haus verlasse, bete ich um den Schutz für meine Familie und alle, die ich liebe. Jeden Abend bete ich um einen nächsten Morgen.“ Schulen, Universitäten, Eisenbahnstrecken, Krankenhäuser, Kraftwerke: Nichts sei vor russischen Raketen und Drohnen sicher: „Alles, was sie nicht einnehmen können, zerstören sie.“ Der Krieg treffe nicht nur die Infrastruktur. Er vergifte die Luft und das Wasser, verwüste das fruchtbare Land. Ganze Landstriche seien vermint. Die Gäste sorgen sich auch um die Kernkraftwerke, wie jenes in Saporischschja: „Denkt an Tschernobyl. Das betrifft ganz Europa.“
Hilfe in der Not
In Konotop unterstützen Svitlana und Olha mit dem Verein Viden Kinder und Jugendliche aus schwierigen sozialen Verhältnissen. Die Partnerschaft mit Welthaus Graz besteht seit 25 Jahren. Seit Kriegsbeginn wird der Bevölkerung mit dem Notwendigsten geholfen: Nahrung, Hygieneartikel, Kleidung, Heizmaterial. „Viele haben alles verloren. Sie wissen nicht, was sie tun sollen“, schildern die Gäste. Sie beraten Betroffene dabei, Hilfe vom Staat zu erhalten: Eine Unterkunft, Papiere, elektronische Zahlungsmittel. Viele Menschen seien schwer traumatisiert. „Das Wichtigste ist, gehört zu werden. Wir sprechen mit ihnen, geben ihnen das Gefühl, nicht allein zu sein.“ Für Kinder und Jugendliche gibt es eine Vielzahl an Angeboten, teils in den Luftschutzkellern: Kurse für Choreografie, Tanz, kreatives Gestalten, EDV, Berufsausbildung, Deutsch- und Englisch, Aerobic sollen ein „Stück Normalität“ in diesem Ausnahmezustand bieten.
„Unterstützt uns! Glaubt an uns!“
Svitlana Shut
Was kann Europa tun? Aktuell sei die Unterstützung bei der Luftabwehr das Wichtigste, meinen die Gäste. „Die Russen verzeichnen enorme Verluste, haben aber kaum Land erobert. Also beschießen sie zivile Ziele, in Kyjw, Lwiw, Odesa.“ Wichtig sei zu verstehen: „Wir schützen nicht nur die Ukraine, wir schützen Europa. Wenn die Ukraine fällt, was passiert als Nächstes?“ Erleichtert erfahren unsere Gäste, dass beim Angriff in Konotop niemand zu Schaden gekommen ist. Eine Botschaft haben sie noch: „Unterstützt uns, glaubt an uns! Frieden ist das Wichtigste – es bedeutet Leben, Freiheit, Unabhängigkeit!“
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