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Klimagerechtigkeit, Biodiversität und Landrechte

Bis 2030 sollen weltweit 30 Prozent der Land- und Wasserfläche unter Naturschutz stehen. Durch die Ausweitung der Schutzgebiete droht jedoch Millionen Menschen die Vertreibung. In Tansania sind etwa die Massai massiv davon betroffen.

2022 wurde in Montreal das internationale Biodiversitätsabkommen beschlossen: Bis zu Jahr 2030 sollen 30 Prozent der Land- und Wasserfläche der Erde unter Naturschutz stehen. Langfristiges Ziel ist, bis 2050 die Hälfte der Erdoberfläche zu schützen, um dem Klimawandel Einhalt zu gebieten und den Verlust der Biodiversität zu stoppen.

Während der globale Norden das Ziel als richtungsweisend und positiv aufgenommen hat, haben viele Organisationen aus Afrika, Asien und Lateinamerika massive Bedenken geäußert. Circa 80 Prozent der weltweiten Artenvielfalt befindet sich derzeit auf Land, auf dem indigene Völker sowie Kleinbäuerinnen und -bauern leben. Sie haben sichergestellt, dass die Biodiversität auf ihren Territorien erhalten bleibt. Im Rahmen der geplanten Schutzmaßnahmen besteht die unmittelbare Gefahr, dass diese Bevölkerung jetzt von ihren Territorien weichen soll, damit sogenannter Festungsnaturschutz umgesetzt wird.

Mag. Sigrun Zwanzger

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Action Aid hat errechnet, dass mit der Ausweitung der Schutzgebiete bis zu 300 Millionen Menschen von Vertreibung betroffen sein könnten, wenn die Rechte indigener Völker, traditioneller Landbesitzer:innen und lokaler Umwelthüter:innen nicht wesentlich besser geschützt werden. Auch fehlt ein stärkerer Fokus auf die Bekämpfung der Ursachen des Verlusts von biologischer Vielfalt, wie z. B übermäßiger Konsum.

Welthaus fordert daher:

  • Die Ursachen des Verlusts an biologischer Vielfalt zu bekämpfen.
  • Die Konzentration darauf, sicherzustellen, dass alle bedrohten Arten und Ökosysteme angemessen geschützt werden, anstatt nur die Schutzgebiete zu vergrößern.
  • Die Entwicklung von Leitlinien auf globaler, europäischer und nationaler Ebene, wie indigenes und anderes gemeinschaftlich genutztes Land zur Erreichung des Ziels beitragen kann.
  • Die Festlegung und Integration klarer Menschenrechtsindikatoren in den Umsetzungsmechanismus und den Überwachungsrahmen des „Global Biodiversity Frameworks“. Neue Schutzgebiete sollten nur dann auf das Ziel angerechnet werden dürfen, wenn sie eine Reihe von Mindestkriterien erfüllen.
  • Die Durchführung einer gründlichen und transparenten Bewertung der menschenrechtlichen und sozialen Auswirkungen bestehender Schutzgebiete (mittels Menschenrechtsansatzes) – und gegebenenfalls Neuklassifizierung dieser Gebiete, um den soziokulturellen Gegebenheiten, in denen sie bestehen, Rechnung zu tragen.
  • Vorrang für die Anerkennung und den Schutz kollektiver und gewohnheitsmäßiger Landbesitzsysteme indigener Völker, die ihre Rechte auf Land, Ressourcen, Selbstbestimmung und freie, vorherige und informierte Zustimmung garantieren, wie es in internationalen Menschenrechtsabkommen gefordert wird.
  • Anerkennung von Rechten anderer Subsistenzlandnutzer auf Schutz vor Zwangsräumungen, auf einen angemessenen Lebensstandard und auf Konsultation bei allen Entscheidungen, die sich auf ihre Land- und Nutzungsrechte auswirken.
  • Auch auf Länderebene müssen die nationalen Biodiversitätsstrategien und -aktionspläne (NBSAPs) alle internationalen Menschenrechtsaspekte integrieren. Die Regierungen müssen sich dazu verpflichten, rechtebasierte und von der Gemeinschaft geleitete Naturschutzansätze wie ICCAs (indigenous and Community conserved areas) zu priorisieren.

Tansania: Vertreibung für den „Naturschutz“

In Tansania gelten rund 40 Prozent des Landes als geschützte Flächen, darunter Naturschutzgebiete und Wildreservate, in denen Großwildjagd erlaubt ist. Angrenzend an diese Gebiete leben oft indigene Gesellschaften wie die Massai, die eng mit dem Land verbunden sind, auf und von dem sie leben. Mit ihrer Lebensweise schützen sie die Natur und erhalten wertvolle Ökosysteme. Die „Afrikanische Kommission für Menschenrechte und die Rechte der Völker“ hat die Massai als Indigene eingestuft, von der tansanischen Regierung werden sie jedoch nicht als solche anerkannt.

Durch die Ausweitung der geschützten Flächen, Bauprojekte und Landkonzessionen sollen sie enteignet oder umgesiedelt werden, was ihre Lebensweise gefährden und Armut vergrößern würde. Die tansanische Regierung hält die Gesetze, beispielsweise zur vorgesehenen Zustimmung zu Landnutzungsänderungen, nicht ein und setzt Vertreter:innen der Massai unter Druck. Darüber hinaus stellt sie den Zugang der Massai zur Basisversorgung wie Bildung und Gesundheit nicht sicher.

Die Lebensweise der Maasai erhalten

Welthaus Graz und seine lokale Partnerorganisation PINGO’s Forum dokumentieren  Menschenrechtsverletzungen und setzen sich dafür ein, dass die lokale Bevölkerung ihre Rechte kennt, und unterstützen sie gegenüber der Politik, diese einzufordern. Zum Beispiel die sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Rechte: Haben indigene Gruppen Zugang zu Weideflächen und Wäldern, können sie einer Arbeit nachgehen, die ihrer Lebensweise entspricht, und dadurch Hunger, Armut und Ungleichheiten reduzieren.