Touristen statt Nomaden?

In Tansania droht zehntausenden Massai die Vertreibung. Welthaus unterstützt sie beim Kampf für ihre Rechte und hat eine Infotour durch Europa mitorganisiert.

Sie sind so bekannt wie die Löwen und Elefanten, mit denen sie das Land teilen. Mit ihren langen Speeren und den rot karierten Tüchern fehlen die Massai auf keinem Touristenprospekt des berühmten Serengeti-Nationalparks. Auch die tansanische Regierung wirbt auf Plakaten mit den traditionsreichen Nomaden. Gleichzeitig will sie bis zu 150.000 Massai aus den Gebieten Ngorongoro und Loliondo am Rande der Serengeti umsiedeln – im Namen des Naturschutzes.

Massai-Delegation zu Besuch in Europa

„Die Regierung hat uns das Land weggenommen. Viele Familien haben ihre Häuser und Weiden verloren. Sie können sich jetzt weder ernähren noch das Schulgeld für ihre Kinder bezahlen“, beklagte Kiaro Kubany Orminis bei einer Veranstaltung im Welthaus Graz. Mit einer hochrangigen Delegation von Massai-Vertretern bereiste er zwei Wochen Europa, um internationale Unterstützung für ein Ende der Menschenrechtsverletzungen gegen die Massai zu gewinnen.

Im Welthaus war Orminis gemeinsam mit Edward Porokwa vom Pingos Forum zu Gast, einer Partnerorganisation von Welthaus, die sich für die Rechte der Massai in Tansania einsetzt. Ihre Rechte würden derzeit massiv von staatlicher Seite verletzt, berichteten die Gäste: „In Loliondo wurden Menschen mit Waffengewalt vertrieben, Tausende sind nach Kenia geflüchtet. In Ngorongoro werden die medizinische Versorgung und die Schulbildung systematisch verschlechtert, um die Umsiedelungen zu beschleunigen“, meinte Porokwa.

Menschen wurden mit Waffengewalt vertrieben

Edward Porokwa, Pingos Forum

Konflikte sind vorprogrammiert

„In Tansania sind jetzt schon rund 40 Prozent des Landes geschützt. Es gibt unzählige Nationalparks, Naturschutzgebiete oder auch Wildreservate, in denen Großwildjagd unter Auflagen erlaubt ist“, erzählt Sigrun Zwanzger vom Welthaus. „In mehreren Gebieten, wo die meist von Viehzucht lebende Bevölkerung offiziell über Landtitel verfügt, werden die Menschen enteignet. Ihnen wird entweder ein Ersatzgebiet vorgeschlagen, in das sie ziehen sollen oder sie werden einfach aufgefordert, ihr Land zu verlassen.“ Doch die Ersatzgebiete seien bereits besiedelt, Konflikte mit der dort lebenden Bevölkerung vorprogrammiert.

Vertreibung wiederholt sich

Der Streit um die Landnutzung reicht weit zurück: Im Zuge der Gründung des Serengeti-Nationalparks 1959 wurde den Massai der Zugang zum Gebiet von der Größe der Steiermark verwehrt. Die Begründung: Ihre Rinderzucht vertrage sich nicht mit dem Schutz der Natur. Die Nomaden mussten nach Loliondo und Ngorongoro ausweichen, wo sie seither im Einklang mit der Natur lebten. Nun droht ihnen neuerlich die Vertreibung, deren Ursache Kritiker weniger im Naturschutz als vielmehr im einträglichen Luxustourismus und anderen wirtschaftlichen Interessen sehen. Da auch Europäische Regierungen und Institutionen an Tourismus- und Naturschutzprojekten in Tansania beteiligt sind, soll die Infotour nun den Druck auf die tansanische Regierung erhöhen, die Vertreibungen der Massai zu stoppen.

Gemeinsam mit dem „Pingos Forum“, unterstützt Welthaus die Massai darin, sich zu organisieren, ihre Rechte zu kennen und diese bei der Regierung einzufordern. Menschenrechtsverletzungen werden auch international publik gemacht.

Mehr zum Projekt von Welthaus und dem Pingos Forum


Gewalt und Umsiedelungen im Serengeti Nationalpark in Tansania.
Sendung PUNKT EINS auf ORF – Ö1 vom 30.6.2023

Gäste: Mag. Sigrun Zwanzger, Projektreferentin Tansania am Welthaus Graz; Univ.-Prof. DDr. Werner Zips, Institut für Kultur- und Sozialanthropologie der Universität Wien
Moderation: Andreas Obrecht.

https://oe1.orf.at/programm/20230630/723429/Serengeti-Im-Konflikt-zwischen-Wildtierschutz-Staat-und-Bevoelkerung

Pressespiegel zum Besuch der Massai-Delegation