Ernährung

Hunger ist ein Verteilungsproblem. Welthaus setzt sich für das Menschenrecht auf ausreichende, gesunde und lokal angepasste Ernährung ein.

Weltweit haben rund 733 Millionen Menschen nicht genug zu essen (Quelle: Welthunger-Index, 2024). Gleichzeitig sind knapp drei Milliarden übergewichtig, weisen also einen Body Mass Index (BMI) von über 25 auf (Quelle: Statista, 2024). Rund 17 Prozent aller Lebensmittel landen statistisch im Müll, das sind schätzungsweise 931 Millionen Tonnen pro Jahr (Quelle: „Food Index Report 2021“ der UN). Niemand müsste hungern – mit den produzierten Lebensmitteln könnten laut FAO rund 12 Milliarden Menschen ernährt werden. Hunger ist also ein Verteilungsproblem. Offensichtlich läuft im Welthandelssystem einiges grundlegend falsch.

Hunger ist kein Naturgesetz

Es beginnt damit, dass Europa mit Steuergeldern die Produktion von Überschüssen subventioniert. Diese künstlich verbilligten Lebensmittel überschwemmen viele Länder in Afrika, Asien und Lateinamerika und ruinieren lokale Märkte und Landwirtschaften (Dumping). Im westafrikanischen Senegal etwa haben die europäischen Billighühner die heimische Produktion zerstört.

Diese Region hier war bekannt für die gute Qualität seines Geflügels. Noch vor kurzem hat sich jede Familie mit der lokal gezüchteten Rasse selbst versorgt. Heute gibt es nur mehr wenige Geflügelzüchter. Der Hauptgrund ist, dass fast alle großen Siedlungen mit Hühnerfleisch aus Europa beliefert werden: Ein Kilo für einen Euro!

Habib Dieng, Bauer aus dem Dorf Mbaye Faye im Senegal

Die Kühlkette sei oft mangelhaft und die Infektionsgefahr groß, sagt Dieng. Aber die niedrigen Preise wären einfach zu verlockend.

Gewinner und Verlierer

An dieser Praxis ändern auch die zahlreich abgeschlossenen Freihandelsabkommen wenig. Der geplante EU-Mercosur-Pakt etwa würde die Agroindustrie und transnationale Supermarktketten weiter stärken, während Landwirte, die nachhaltig Lebensmittel produzieren und Kulturlandschaften erhalten, zu den Verlierern zählen. Der massive Import von Agrarprodukten wie Soja, Rindfleisch und Zuckerrohr aus Lateiamerika würde weiter ansteigen. Damit verbunden erhöht sich auch der Bedarf an landwirtschaftlichen Flächen außerhalb Europas für unseren Konsum weiter.

Welche Konflikte sich in Lateinamerika durch den zunehmenden Kampf um diese „ausgelagerten“ Agrarflächen ergeben, zeigen die vielen gewaltsamen Vertreibungen von Kleinbauernfamilien und Indigenen von ihrem Land. Immer wieder kommt es zu Morden, wenn sich Landwirte der Räumung des Landes, das sie seit Generationen bewirtschafteten, widersetzen. Unternehmer, die ihre Sojaanbauflächen ausdehnen möchten, beanspruchen Gemeinschaftsland der indigenen Bevölkerung für sich. Das (genveränderte) Soja wird nach Europa exportiert: Als Nahrungs- und Futtermittel und für die Produktion von Agrodiesel.

Was sich ändern muss

Wenn Europa an der Agrotreibstoff-Beimengung festhält, werden unweigerlich weitere Millionen Hektar Agrarland für den Energiehunger Europas der lokalen Bevölkerung in Ländern wie Argentinien entzogen. Generell muss die EU als weltweit größter Importeur und Exporteur von Agrarprodukten darauf achten, Anstrengungen zur Bekämpfung von Armut und zum Erhalt natürlicher Ressourcen nicht durch die eigene Agrarpolitik zu unterminieren. Ziel muss ein Agrarsystem sein, das die natürlichen Lebensgrundlagen nachhaltig nutzt, andere Volkswirtschaften nicht schädigt und es den Bauern und Bäuerinnen möglich macht, vom Verkauf ihrer Produkte zu leben. Dumping von Lebensmitteln von und nach Europa muss verhindert werden.

Abseits der „großen Politik“ kann aber auch jede/r Einzelne dazu beitragen, eine nachhaltige, fair bezahlte Landwirtschaft zu unterstützen: Durch die tägliche Entscheidung für regionale, biologische, saisonale bzw. fair gehandelte Lebensmittel. Da die Massenproduktion von Fleisch gravierende Auswirkungen auf den Ressourcenverbrauch (Wasser, Dünger, Treibstoffe, Futtermittel…) hat und massiv zur Klimaerwärmung beiträgt, empfiehlt es sich, den Fleischkonsum zu reduzieren bzw. auf Herkunft und Produktionsbedingungen (bio!) zu achten. Letztendlich liegt es an uns allen, zu bestimmen, wem die Landwirtschaft zukünftig dienen soll: Den Menschen und der Umwelt oder dem Business.

Ernährungssouveränität ist das Recht der Völker auf gesunde und kulturell angepasste Nahrung, nachhaltig und unter Achtung der Umwelt hergestellt. Sie ist das Recht auf Schutz vor schädlicher Ernährung. Sie ist das Recht der Bevölkerung, ihre Ernährung und Landwirtschaft selbst zu bestimmen. Ernährungssouveränität stellt die Menschen, die Lebensmittel erzeugen, verteilen und konsumieren, ins Zentrum der Nahrungsmittelsysteme, nicht die Interessen der Märkte und der transnationalen Konzerne.
Mehr dazu: Erklärung von Nyéléni

Was Welthaus tut

Welthaus unterstützt in den Projektländern Partnerorganisationen, die sich genau für diese Rechte einsetzen. Gemeinsam stärken wir Menschen dabei, ihre Ernährungslage zu verbessern – durch klimatisch angepasste Landwirtschaft, verbesserte Techniken bei Anbau, Ernte und Lagerung sowie Zugang zu lokalen Märkten. Ernährungssouveränität ist nicht nur die Basis der Arbeit in Projektländern, sie stellt auch eine wesentliche Grundlage der entwicklungspolitischen Bildungs- und Anwaltschaftsarbeit von Welthaus dar.